Europas grüne Insel übt schon lange eine große Faszination auf mich aus. Bilder von wilden, zerklüfteten Küsten, Geschichten über Kobolde, und dann noch dieses dunkle, schaumige Bier, das es zusammen mit dem Konzept Pub in die ganze Welt geschafft hat. Das muss ich mit eigenen Augen sehen! Der Plan: In drei Wochen vom nordirischen Belfast aus entlang der Küste, mit ein paar Abstechern ins Landesinnere, bis Dublin zu fahren. Mit dabei: meine Honda Transalp, mein Mann mit seiner Yamaha Ténéré 700 und jede Menge Campingausrüstung. Um die schlechte Nachricht vorwegzunehmen: Kobolde haben wir nicht gesehen. Dafür eine der beeindruckendsten Naturlandschaften Europas.
Inhalt
Panoramastraßen und Game-of-Thrones-Flair an Nordirlands Antrim Coast
Obwohl Belfast eine sehr sehenswerte Stadt sein soll, lassen wir Nordirlands Zentrum zugunsten der Natur so schnell wie möglich hinter uns. Nördlich der City wartet bei strahlend blauem Himmel die malerische Antrim Coast, benannt nach der gleichnamigen Grafschaft, in der sie liegt. Die Route A2 führt direkt an der Küste entlang und gewährt immer wieder fantastische Ausblicke aufs Meer. Und so einige Highlight für Game-of-Thrones-Fans wie mich. Szenen der Serie wurden nämlich in dem zu Großbritannien gehörenden Teil der Insel gedreht. In den Caves of Cushendun gebar Melisandre den mordenden Schatten, in Ballintoy Harbour kehrte Theon Graufreud auf die Eiseninseln zurück. Und unter The Dark Hedges ritt Robert Baratheon auf dem Königsweg.
Wir schlagen unser Lager auf dem The Meadows Campingfield nahe dem verschlafenen Örtchen Gortin auf. Nicht weit von der Campingwiese führt der kleine Owenkillew River durch eine verzaubert wirkende Frühlingslandschaft, deren Anblick auch den letzten Rest unseres norddeutschen Winterblues vertreibt. Wir erkunden ein paar Tage lang die Gegend und nehmen noch den berühmten Giant’s Causeway mit, der zwar kostenpflichtig und stark von Touristen frequentiert, aber sehenswert ist.
Einen ganzen Tag lang liegen wir auch einfach faul in der Sonne. Die lässt sich, ganz entgegen meinen Erwartungen und den Gerüchten über das unberechenbare irische Wetter, von Ende April bis Mitte Mai über drei Wochen lang täglich blicken. Doch bereits in der ersten Nacht bin ich heilfroh, meinen dicken Daunenschlafsack eingepackt zu haben. Das Thermometer zeigt zwei Grad an. Je weiter wir nach Westen kommen, desto wärmer wird es. Dem Golfstrom, der an Irlands Westküste vorbeiführt und für gemäßigtes Klima sorgt, sei Dank.
Ungezähmte Natur auf dem nördlichen Wild Atlantic Way
Der Wild Atlantic Way gilt mit seinen über 2500 Kilometern als längste ausgewiesene Küstenstraße der Welt. Vor allem ist es aber eine der spektakulärsten Panoramastraßen, die Europa zu bieten hat. Wie der Name vermuten lässt, schlängelt sich die Route entlang der irischen Atlantikküste von der Halbinsel Inishowen im Norden bis nach Kinsale im Südwesten des Landes. Wir schaffen auf unserer Reise nur einen kleinen Teil der Tour.
Besonders der nördliche Part, in unserem Fall von Burtonport in Donegal bis nach Clifden in Connemara, beeindruckt uns nachhaltig. Hinter jeder Kurve, jeder Bergkuppe und jedem Ginsterbusch wartet der nächste atemberaubende Ausblick auf die zerklüftete Küstenlandschaft. Von der Hauptroute des Wild Atlantic Way führen kleine Straßen zu Aussichtspunkten, Leuchttürmen oder weißen Sandstränden. Man bräuchte nicht einmal ein Navigationssystem, denn die Route ist deutlich gekennzeichnet mit einer stilisierten weißen Welle auf blauem Grund.
Für die rund 500 Kilometer nehmen wir uns zwei Tage Zeit und übernachten in einem hübschen B&B in Easky. Unser eigentliches Ziel ist der Eco Beach Campinglatz in Clifden, auf dem wir drei Nächte direkt am Meer unser Zelt aufschlagen wollen, um uns die bunte kleine Stadt, Connemara, und die Kylemore Abbey anzuschauen. Doch bis dahin genießen wir die kurvenreichen Straßen, machen ein wenig Sightseeing und probieren die lokalen Spezialitäten: Hummer und Austern.
Der Kellner in der Olde Castle Bar in Donegal ist ebenfalls Motorradfahrer und legt uns den Blick auf die Slieve Leagues ans Herz, die zu diesem Zeitpunkt aber leider schon hinter uns liegen. Die Steilklippen sollen das unbekannte, ruhigere, kostenlose und angeblich schönere Pendant zu den weltberühmten Cliffs of Moher sein.
„Hinter jeder Kurve, jeder Bergkuppe und jedem Ginsterbusch wartet der nächste atemberaubende Ausblick auf die zerklüftete Küstenlandschaft.“ – Jenny
Auf schmalen Straßen, die mal mehr, mal weniger gut in Schuss sind, lassen wir uns den Wild Atlantic Way entlangtreiben und biegen immer wieder auf noch kleinere Nebenrouten ab. Manchmal landen wir vor einem Weidegitter in der Sackgasse, manchmal auf einer Passhöhe, wie dem Sheffrrey Pass mit Blick auf eine unfassbar schöne Landschaft aus grauen Bergmassiven, tiefgrünen Wäldern und glitzernden Seen.
Knapp fünf Kilometer vor dem Campingplatz machen wir einen spontanen Abstecher in Richtung Omey Island, denn es ist gerade Ebbe. Die kleine Gezeiteninsel kann nur bei Niedrigwasser erreicht werden. Dann gelangt man über einen markierten Weg auf dem breiten, aber festen Sandstrand dorthin. Danach ist allerdings waschen angesagt. Für die Bikes ist der Mix aus feinem Sand und Meerwasser eine Einladung zum Rosten.
Ring of Beara: Die schöne Schwester des Ring of Kerry in Irlands Südwesten
Eine der meistbesuchten Regionen Irlands ist die zergliederte Südwestküste mit den Halbinseln Dingle, Kerry und Beara, die allesamt noch Teil des Wild Atlantic Way sind. Um den Massen an Mietwagen zu entgehen, entscheiden wir uns für die südlichste und unbekannteste Halbinsel Beara. Immer wieder verlassen wir die Hauptstraße, die Ring of Beara genannt wird, und erkunden die kleinen Pfade, die noch dichter ans Meer heranführen. Theoretisch sind auch die Nebenrouten asphaltiert. Praktisch kämpfen wir uns den ganzen Tag durch tiefe Schlaglöcher, mit Schotter verschlimmbesserte Abschnitte und enge, unübersichtliche Kurven.
Am Abend fühle ich mich ordentlich durchgeschüttelt. Auf der alten Copper Road, einer Schotterpiste, die die alten Kupferminen der Region aus dem 19. Jahrhundert miteinander verbindet, erfüllen meine Adventurereifen zum ersten Mal auf dieser Reise ansatzweise ihre Funktion. Dafür bin ich auf dem Healy Pass, der von der Süd- zur Nordseite Bearas führt, froh, dass ich keine grobstolligeren Gummis aufgezogen haben.
Die Straße führt in fantastischen Kurven zu zahlreichen und für Irland so typischen Aussichtspunkten auf Berge und Wasser. Diese sind auch der Grund, warum wir uns für die rund 180 Kilometer lange Genießertour über Beara den ganzen Tag Zeit nehmen. Alle paar Kilometer halten wir an, knipsen Fotos und tanken ordentlich Vitamin D. Irland zeigt sich an diesem Tag einmal mehr von seiner sonnigsten Seite.
Entspannung pur auf der Halbinsel Hook
Nach zwei Wochen intensiven Erlebnissen und knapp 3000 gefahrenen Kilometern bin ich reif für die (nächste Halb-) Insel und ein paar Tage Entspannung und Ruhe. Über die Copper Coast an der Südküste, kurz hinter Bunmahon, cruisen wir nach Waterfort und setzen mit der Fähre auf die beschauliche Halbinsel Hook über. Bis auf einen hübschen Campingplatz mit Meerblick, die Tinternparva Abbey, ein Schiffswrack und einen Leuchtturm gibt es hier nicht viel zu sehen.
Die Küste am südöstlichen Zipfel Irlands ist wesentlich gezähmter, aber nicht weniger schön. Ab und an sollen sich an manchen Strandabschnitten Robben und Delfine blicken lassen. Doch obwohl wir es den Meeresbewohnern gleichtun und uns in den vier Tagen auf Hook häufiger am Strand auf den Felsen sonnen, bekommen wir keine zu Gesicht.
Kilkenny, Limerick und Dublin: Bunte Städte mit viel Herz
In ganz Irland leben nur etwas mehr als fünf Millionen Menschen. Daher gibt es kaum laute und chaotische Großstädte. Selbst Dublin ist mit seinen gerade einmal 600 000 Bewohnern recht überschaubar. Die meisten Orte haben sich den Charme der historischen Kleinstadt erhalten. Doch was uns am meisten im Gedächtnis bleibt, ist nicht die Architektur der Städte, es sind ihre Bewohner. Ich habe noch nie so gastfreundliche und offene Menschen getroffen wie die Iren. Und nie so feierwütige. Als wir uns an einem Sonntag in Kilkenny ratlos in der Innenstadt nach einem offenen Restaurant umschauen, nehmen uns kurzerhand Ashley und Marina, zwei Köchinnen an ihrem freien Tag, unter ihre Fittiche.
Am Ende landen wir bei Livemusik in Ryan’s Bar. Der Pub ist bis zum staatlich verordneten Zapfenstreich um 23 Uhr rappelvoll, ebenso wie seine Gäste. Die Pubs in Irland, ob auf dem Dorf oder in der Stadt, sind Treffpunkte für Jung und Alt, Einheimische und Besucher, zum Essen, Biertrinken, oder um gemeinsam die Lieblingsmannschaft anzufeuern. Auch als Tourist kommt man nie ohne ein Gespräch, das deutlich länger dauert als klassischer Smalltalk, aus einem Pub oder Geschäft heraus. Als Motorradfahrerin mit ausländischem Kennzeichen schon gar nicht.
„Doch was uns am meisten im Gedächtnis bleibt, ist nicht die Architektur der Städte, es sind ihre Bewohner.“ – Jenny
Während Kilkenny ein guter Ort ist, um das Konzept des Pubs besser zu verstehen, gibt es in Limerick jede Menge Geschichte und Kultur zu erleben. Die Stadt am Shannon River gilt als Musikhochburg des Landes. Zusammen mit Freunden, die zeitgleich mit dem Mietwagen durch Irland unterwegs sind, schauen wir uns tagsüber das beeindruckende King John’s Castle an und lauschen am Abend den wohltönenden Klänge der Heavy-Metal-Band Night Demon, die gerade in Irland auf Tour ist.
Da die Fähre auf unserem Rückweg in Dublin ablegt, ist die Hauptstadt der letzte Stopp auf unserer dreiwöchigen Tour. Wir haben einen kompletten Tag und machen klassisches Sightseeing mit allen überteuerten Sehenswürdigkeiten, wie der Bibliothek des Trinity College und der wirklich spannenden Tour durch die Guinness-Brauerei. Nur an den Kneipen im Viertel Temple Bar gehen wir vorbei. In Drumcondra, dem Teil Dublins, in dem unser B&B liegt, gibt es viel schönere und urigere Pubs, in denen wir uns würdig von Irland und den Iren verabschieden.
Die besten Spots zum Essen, Trinken, Schlafen in Irland
Da ich Camping liebe und Irland traumhaft schöne Plätze zu bieten hat, haben wir die meisten Nächte im Zelt verbracht. Entgegen meinen Erwartungen waren die Preise niedriger als auf deutschen Campingplätzen. Der teuerste Platz in Connemara hat für zwei Personen, zwei Mopeds und ein Zelt 20 Euro die Nacht gekostet. Zum Campen haben wir uns immer schöne Plätze für mehrere Tage gesucht und sind sternförmig Erkundungstouren gefahren. Diese Art zu reisen hat sich für meinen Mann und mich in den letzten Jahren bewährt.
Ab und an waren wir im B&B, wenn wir nur eine Zwischenübernachtung brauchten oder uns eine Stadt ansehen wollten. Die Kosten liegen im Schnitt bei 80 bis 90 Euro. Am besten direkt bei der Unterkunft buchen. Auf Plattformen wie booking.com sind die Preise meist um einiges höher. Außerhalb der Ferienzeit ist fast immer noch irgendwo ein Zimmer frei. Das Frühstück ist typisch irisch und deftig: White und Black Pudding, Würstchen, Porridge, Eier, gebratene Tomaten und Toast sind üblich. Meine Topadressen für Campingplätze, Unterkünfte, Pubs und Restaurants findet ihr hier:
- The Meadows Camping Field, 52 Killymore Rd, Newtownstewart, Omagh BT78 4DT, Nordirland, www.meadowscamping.co.uk/
- Atlantic & Riverside B&B, Shannons Park, Easkey, Co. Sligo, Irland, www.easkeybandb.com/
- Clifden Eco Beach Camping, Claddaghduff Road, Wild Atlantic Way, Grallagh, Clifden, Co. Galway, H71 W024, Irland, www.clifdenecocamping.ie/
- Dooncastle oysters seafood trailer, Doon, Kingstown, Co. Galway, Irland
- Dolan’s Pub and Restaurant, 3-4 Dock Rd, Courtbrack, Limerick, V94 VH4X, Irland, www.dolans.ie/
- Ryan’s Bar, 3 Friary St, Gardens, Kilkenny, R95 X932, Irland, www.ryanskilkenny.com/
- Butcher Restaurant, The Butterslip, St. Kiernan’s St., Gardens, Kilkenny, R 95 T3VX, Irland
- Roches Campervan & Campsite, Clonmines, Co. Wexford, Irland, www.rochescampsite.ie/
- Roches Bar & Restaurant, Duncannon The Hook Peninsula, New Ross, Co. Wexford, Y34 AH04, Irland, www.rochesbar.ie/
Was du als Motorradreisende über Irland wissen musst
Wie komme ich auf die Insel?
Die schnellste und günstigste Verbindung aus Nord- und Mitteldeutschland nach England ist die Fähre von Rotterdam nach Kingston upon Hull. Das Schiff legt am Abend in den Niederlanden ab und am nächsten Morgen in England an. Die Überfahrt dauert zwölf Stunden. Man sollte mehrere Stunden vor Abfahrt am Hafen einchecken.
Wichtiger Hinweis für alle, die mindestens zu zweit unterwegs sind und sich eine Kabine teilen: Die Buchung bei der Fährgesellschaft P&O Ferries ist recht kompliziert. Man kann pro Buchung und Kabine nur ein Fahrzeug angeben. Der beste Weg laut P&O (so haben mein Mann und ich es am Ende auch gemacht) ist, zunächst die Tickets für zwei Personen, eine Kabine (die ist Pflicht) und ein Motorrad zu buchen. Im Anschluss ruft man bei der englischsprachigen Hotline von P&O Ferries an und bucht das zweite Motorrad dazu. Die Kosten für diese Strecke liegen für Hin- und Rückfahrt bei rund 800 Euro für zwei Personen und Bikes.
Wichtig: Reisepass nicht vergessen! Der ist seit dem Brexit nötig, um nach England einreisen zu dürfen. Ein Personalausweis reicht nicht mehr.
Für die Weiterreise nach Irland haben wir uns für die Fähre von Liverpool nach Belfast entschieden. Auf dem Rückweg sind wir von Dublin nach Holyhead übergesetzt. Beide Verbindungen werden von Stena Line bedient. Hier ist die Buchung von mehreren Motorrädern kein Problem. Die Überfahrt dauert rund acht Stunden und wird zu verschiedenen Zeiten angeboten. Wer auf eine Kabine verzichten kann, spart etwas Geld. Dann kosten die Tickets für zwei Personen für Hin- und Rückfahrt knapp 400 Euro. Es gibt mehrere Bars, Restaurants und Shops an Deck. Am Abend wird häufig Livemusik gespielt.
Was muss ich als Bikerin beachten?
In Irland gibt es kaum noch Tankstellen, an denen Super (E5) oder Super Plus (E5) verkauft werden. Getankt wird Super E10. Die meisten modernen Motoren vertragen das Bioethanol-Gemisch gut. Bei älteren Modellen oder modernen Diven könnte es aber schwierig werden. Für unsere Honda XL 700 Transalp (Baujahr 2010) und Yamaha Ténéré 700 (Baujahr 2021) ist E10 kein Problem. Honda und auch einige andere Hersteller haben auf ihren deutschsprachigen Websites Auflistungen, welche Modelle E10-verträglich sind. Für den Fall, dass das Moped kein E10 mag, gibt es spezielle Zusätze, die man in den Tank kippt.
Denkt auch an ausreichend Kettenspray! Ich hatte zu wenig dabei und musste mich durch den ganzen Norden der Insel schnorren, bis ich in Galway einen Motorradladen gefunden habe. Auch Motorradwerkstätten sind rar gesät. Unter den Einheimischen gibt es nur wenige BikerInnen.
In Irland herrscht Linksverkehr. Am Anfang ist es komplett ungewohnt, auf der falschen Seite zu fahren. Nach ein, zwei Tagen auf Tour gewöhnt man sich daran. Und nach drei Wochen fühlt es sich, zurück auf dem Festland, völlig falsch an, rechtsherum in den Kreisverkehr zu fahren.
Wann ist die beste Reisezeit?
Die regenärmsten Monate auf der Insel sind Mai und September. Wir sind am letzten Aprilwochenende gestartet und hatten, bis auf drei regnerische Vormittage, viel Sonne. In Connemara habe ich mir sogar einen Sonnenbrand geholt. Allerdings nur im Gesicht, denn wirklich heiß ist es in dieser Zeit noch nicht. Warme Kleidung ist ein Muss. Gerade nachts kann es noch sehr kalt sein. Regenkleidung darf auch nicht fehlen. Selbst die Iren sagen, dass das Wetter auf der Insel pure Glückssache ist.
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